Am Sonntag, den 05. Oktober 2014 um 21:00 MEZ (23:00 Uhr Ortszeit) fand auf dem Sender kolHa Campus 106.0 FM (Tel Aviv) in der Sendung „Radio Art“ von Meira Asher die Ursendung des Stückes „Sounds from a Room“ statt. Weitere Arbeiten, die gesendet wurden, sind „Cross Talk“ sowie Auszüge aus „Public Transport. Musique Anecdotique in memoriam Luc Ferrari“ und, erstmals im Radio, „Akustisches Denkmal für Walter Klingenbeck“. Hier kann man die Sendung nachhören.
On Sunday, 5 October 2014 at 9.00 pm CET (11.00 pm local time), the „Radio Art“ programme hosted by Meira Asher on kolHa Campus 106.0 FM (Tel Aviv) aired the first broadcast of the piece „Sounds from a Room“. The other works heard on the programme are „Cross Talk“ and excerpts from „Public Transport. Musique Anecdotique in memoriam Luc Ferrari“ as well as „Acoustic Memorial for Walter Klingenbeck“ (on the radio for the first time ever). The whole programme can be listened to here.
[FOR ENGLISH, PLEASE SEE BELOW]
Aufgenommen am 25.03.2011 in Ponta Delgada auf der Azoreninsel Sao Miguel, trägt das Ausgangsmaterial von „Sounds from a Room“ alle Merkmale eines Fieldrecordings als örtlich und zeitlich exakt situiertes Dokument von einer Reise des Autors in eine für ihn neue und fremde Umgebung, von der er akustisches Material für neue Kompositionen mitzubringen hofft – immerhin eine weit verbreitete Form des Audiotourismus, die ästhetisch arrangierte und doch „authentische“ Eindrücke exotischer Soundscapes verspricht.
„Sounds from a Room“ hinterfragt auf selbstironische Weise den Authentizitätsgestus, der vielen Fieldrecording-Arbeiten zugrundeliegt, seien es radiophone Arbeiten oder Veröffentlichungen von „Phonography“-Labels wie Gruenrekorder, wo der Autor u.a. eine Aufnahme veröffentlichte, das auf derselben Azorenreise entstand wie das Material des vorliegenden Stücks (Gerald Fiebig: Horta Harbour).
„Sounds from a Room“ kann gehört werden als Präambel, aber auch als Kehrseite jedes Fieldrecordings. Wie der Titel bereits andeutet, entstand die zugrundeliegende Aufnahme zwar auf einer Reise, in fremder Umgebung, aber keineswegs „in the field“ im Sinne von „im Freien“, sondern in Zimmer 202 des Hotels Talisman. Nach einer unruhigen Nacht von den vagen Geräuschen der Umgebung geweckt, drückte der Autor auf die Aufnahmetaste seines Recorders, der auf dem Nachttisch stand, und sank dann wieder in den Halbschlaf, ohne die Aufnahmequalität reguliert zu haben. Die nach dem vollständigen Erwachen vorgefundene Aufnahme besitzt also den zufälligen Charakter eines „Objet trouvé“, das durch seine nur halb-intentionale Hervorbringung seinen medialen, artifiziellen Charakter umso deutlicher verrät, nämlich durch das Grundrauschen der mangelhaft eingepegelten Aufnahme. Bei einem „richtigen“ Fieldrecording hätte man dies zu vermeiden versucht, um ein „authentisches“ Klangbild der fremden Umgebung zu vermitteln. Gerade durch diese Eingriffe hätte man den artifiziellen, konstruierten Charakter der Aufnahme in gewisser Weise sogar verstärkt.
Die verrauschte Aufnahme aus dem Hotelzimmer lässt sich somit als das halb- bis unbewusste Komplement zum fokussierten, klaren, aufmerksamen, voll bewussten Hören verstehen, auf das die von einem dokumentarischen Ansatz geprägte „Phonography“-Ästhetik abzielt: Der Schlaf des Gehörs bringt sozusagen Low Fidelity hervor, so wie der Schlaf der Vernunft Ungeheuer gebiert.
Auf dieser Idee baut die weitere Verarbeitung des Proto- oder Anti-Fieldrecordings auf. In bewusster Abkehr von jeglichem Purismus werden die Nebengeräusche und die Lo-fi-Soundcsape des Hotelzimmers zu einem Hörfilm modelliert, der aus der innerpsychischen Hörperspektive des zunächst noch schlafenden Subjekts den Prozess des Aufwachens in Zeitlupe auf metaphorische Weise darstellt. Aus dem anfänglichen, ins Dröhnende verstärkten Grundrauschen des Unbewussten taucht der Hörer auf in Richtung der Oberfläche des Wachbewusstseins, indem sich erste „real(istisch)e“ Umweltgeräusche ins Hörfeld schieben. Aus diesen schälen sich allmählich Loops heraus, die bewusste Eingriffe verraten und damit das allmähliche Hervortreten des Wachbewusstseins markieren. Am Ende klingelt der Wecker, der jedoch schon seine Echos vorausgeworfen hat in den zu Ende gehenden Schlaf – wie man das aus Träumen kennt, in deren Handlung das Weckergeräusch in den wenigen Sekunden vor dem Erwachen noch „eingebaut“ wird.
Der Wecker und seine Echos sind die einzigen Klangobjekte, die nachträglich im Mehrspurverfahren in das Stück integriert wurden. Alle anderen Bearbeitungen (Filtern und Loopen) erfolgten in einem improvisierten Livedurchgang durch das Material. Die Manipulationen folgten dabei dem Atemrhythmus des Autors/Performers, wobei auf eine bewusst langsame, dem Atmen von Schlafenden möglichst ähnliche Atmung geachtet wurde. Dieser absichtliche Versuch, kompositorisches Kalkül in der Vor- und Nachbereitung auszuschalten und damit „spontan“ mit dem Material zu arbeiten, karikiert auf klanglicher Ebene die Idee eines „unvoreingenommenen“, eben „authentischen“ Umgangs mit Klangaufnahmen, die in Wirklichkeit schon aufgrund ihrer medialen Verfasstheit nie ihren Artefaktcharakter ablegen können.
[ENGLISH]
Recorded on 25 March 2011 in Ponta Delgada on the Azorean island of Sao Miguel, the source material of „Sounds from a Room“ has all the characteristics of a field recording, precisely located in time and space as a document of the author’s journey into an environment that is new and alien to him and from which he hopes to bring back material for new compositions – a widespread form of audio tourism that promises to yield impressions of exotic soundscapes, aesthetically arranged yet still authentic.
Full of self-irony, „Sounds from a Room“ questions the idea of authenticity that is at the heart of many works of field recording or phonography. The piece can be listened to as the preface, or the flipside, of every field recording. As the title implies, the recording was made on a trip, in unfamiliar surroundings, but not ‘in the field’ in the sense of ‘outdoors,’ but in room 202 of the Hotel Talisman. Woken after an unquiet night by the ambient sounds, the author pressed the recording button of his recorder placed on the nightstand and went back to a half-sleeping state without having equalised the recording.
Thus, the recording he found after fully waking up has the random character of an objet trouvé. Due to the only semi-intentional nature of its production, it foregrounds the artificial, mediated character of every recording, because there is much more hiss than there would have been if the recording had been consciously crafted. In that case, that of a ‘real’ field recording, noise would have been reduced in order to create an ‘authentic’ sonic portrait of the environment. But these enhancements, paradoxically perhaps, would only have heightened the artificial, constructed character of the recording.
The sleep of hearing creates lo-fi, just like the sleep of reason creates monsters. Thus this proto or anti field recordings is modelled into an aural psychodrama that gives us the listening perspective of the sleeping and gradually awaking subject. It is a metaphoric, slow-motion rendition of a mind emerging from the droning noise of the unconscious to the surface of the waking consciousness as the first real(istic) ambient noises come within earshot. Only in the end do we hear an alarm clock, like in dreams where this sound is integrated into the dream story seconds before we wake up.
The alarm clock and its echoes are the only sound objects that were multi-tracked onto the basic track. All other filtering and looping operations were done in a live manipulation of the source recording, based on the breathing rhythm of the performer who breathed deliberately slowly to approximate the breath of a sleeper. This forced attempt to get rid of intention and be spontaneous by all means is a further ironic take on the naïve idea of an immediate, ‘authentic’ approach to recordings which, after all, are always artificial. And the decision to be spontaneous is still a decision, not something ‘naturally given.’
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