Für diese Installation habe ich Texte zu Michael Herbsts Fotos beigesteuert. Sound gibt es dazu aber auch, nämlich von Tom Simonetti (Rhytm Police, Die Hangonauten) – und zwar am Samstag, den 21.09.2013 von 18:00 Uhr bis 22:00 Uhr im Café am Milchberg in Augsburg im Rahmen des Kunstparcours.
Wer sich näher für das Konzept der Arbeit interessiert, kann hier einen Text von Michael Herbst dazu lesen:
Rückwärtsklicken, 2010 – 2012
Folgt man dem Gedankenexperiment, sich Eindrücke und Erinnerungen als beständiges Reservoir vor das geistige Auge zu legen, so stellen sich zwei Fragen: Wie ordnen sich diese Lagerstätten und wie könnte man sich diese dauerhaft erschließen?
Die Politik bemüht sich seit jeher, das Gedenken und Erinnern als ideologisch aufgeladenen Akt zu inszenieren und ordnet damit große Teile ihres Aufgabengebietes, versammelt Individuen unter einem Claim, meistens „die Nation“, trennt und spaltet wieder auf. Subjektive Eindrücke können schon per se einer solchen Inszenierung nicht folgen, sind sie eben doch nur jedem Einzelnen vertraut, eignen sich nicht zur präzisen Beschreibung sowie Weitergabe, und erschließen sich nur vor dem jeweiligen vollständigen biografischen Hintergrund.
Wie Stiller bei Max Frisch richtig feststellt: „Man kann alles erzählen, nur nicht sein wirkliches Leben.“
Die vorliegende Arbeit versucht diesen Satz zu umgehen, ohne ihn als treffende Markierung des sozialen Miteinanders gänzlich zu vergessen. Auch wenn wir wollten: wir kommen nicht ohne intersubjektiv geteilte Wahrnehmungen aus, sind eben doch in unseren sozialen Kontexten gefangen, so sehr wir uns auch einreden, von diesen unabhängig zu sein, und uns gänzlich selbstbestimmen wollen.
Betrachten wir unsere Wahrnehmungen als Abraumhalden, die Ergebnis einer immer neuen Auseinandersetzung mit unserer Umwelt sind, die von uns bewusst und unbewusst geschaffen werden, so wird möglicherweise auch deutlich, dass diese Lagerstätten der „Wiederverwertung“ zugänglich gemacht werden können: Denken als Bergbau. Unsere Biografie als Gesteinsmasse, die wir aus unterschiedlichen Richtungen abtragen können, in die wir Stollen treiben, um zu den Lagerstätten vorzustoßen, die wir selbst angelegt haben und die wir kartografieren sollten, um uns zu vergewissern, dass wenigstens wir uns unser Leben erzählen können, wenn wir es schon anderen nicht berichten können. Ebenso bleiben damit auch die schwarzen Flecken der Erinnerung im Bilde, die wir auf unseren Landkarten zu umgehen versuchen, wenn wir uns bewusst nicht erinnern wollen und Vergangenes am liebsten aus unserem Gedächtnis streichen wollen. Gewissermaßen analog zu diesem Prozess wurde eine Anzahl von Fotografien angefertigt und lose arrangiert. Unabhängig davon wurden diese Fotografien als Startpunkt verstanden, jene Gedankengänge mit Worten zu begleiten und dem reinen visuellen Vorgang ein Korsett zu geben. Gleichzeitig treten auch die Bilder mit den Worten in ihren Dialog und ergänzen den Versuch, die Bilder als jene Masse zu verstehen, in die wir selbst unentwegt Probebohrungen jagen, um uns zu vergewissern, dass wir in der Lage sind, unsere Biografie geradlinig zu rekonstruieren. Der dabei gewählte Startpunkt ist gänzlich egal, begreifen wir unsere Vergangenheit und Gegenwart doch nur selten als reinen Ablauf von Ereignissen, der uns „zu dem machte, was wir heute sind“, denn als präsenten Gefühlszustand, dem wir uns immer wieder stellen müssen. Analog dazu tauchen Bilder und Worte in einem Dauerloop auf.
Durch das Erinnern wird die Vergangenheit nicht gebannt, sondern erst wirklich erfahren: bewusst benennbar, stimmhaft und spruchreif.